Die aktuelle Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft untersucht, wie mittelständische Unternehmen und Start-ups beidseitig von Kooperationen profitieren können.
Digitale Innovation durch deutsche Start-Ups?
Deutschland gilt international nicht gerade als leichtes Pflaster für Start-ups und neue Geschäftsmodelle. So kann auch bei der Digitalisierung und dem Wandel zu einer Industrie 4.0 bislang nicht von einer Vorreiterrolle Deutschlands gesprochen werden. Eine Chance könnte allerdings in dem vermehrten Auftreten von Start-Ups aus dem Digitalbereich rund um Software, digitale Dienstleistungen und Online-Plattformen liegen. Die aktuelle Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft untersucht anhand verfügbarer Studien und einer ökonomischen Auswertung des BDI-Familienunternehmenspanels die Potenziale und Herausforderungen von Kooperationen zwischen etablierten Unternehmen des Mittelstandes und innovativen Start-ups. Hierbei ist anzumerken, dass der Analyse die Annahme zugrunde liegt, dass Familienunternehmen die heterogene Menge mittelständischer Unternehmen in ausreichendem Maße repräsentieren. Ergänzend wurden 11 Experteninterviews mit Vertretern aus dem Mittelstand, Start-ups und Verbänden geführt, um die Erhebungsergebnisse qualitativ zu untermauern.
Potenziale und Kooperationsvorteile
Die Digitalisierung des Wirtschaftslebens ist ein enorm vielschichtiges und komplexes Unterfangen, bringt aber gleichzeitig große Potenziale mit sich. So können neue Technologien zu einer weiteren Automatisierung der Fertigung beitragen, neue Schnittstellen zu anderen Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette eröffnen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ermöglichen. Bei mittelständischen Unternehmen sind die Ressourcen im Vergleich zu Großunternehmen aber begrenzt und viele der Maßnahmen lassen sich nur in Kooperation mit anderen Unternehmen, häufig aus anderen Branchen, umsetzen. Dort stellen digital-affine Start-Ups mit ihrem Know-How eine große Chance dar, um die eigene Wertschöpfungskette und das bestehende Geschäftsmodell weiterzuentwickeln.
In vielen Fällen können sich die Kompetenzprofile von Start-Ups und mittelständischen Unternehmen komplementär ergänzen. Während Mittelständer in Bezug auf ihre Reputation und die Bindung ihrer langjährigen Kunden vorsichtig sein müssen, können Start-Ups neue Ideen mit entsprechender Unterstützung durch KMUs leicht am Markt austesten.
Darüber hinaus können sich für beide Seiten neue Märkte für ihre Produkte oder Dienstleistungen eröffnen. Auch wenn sich Mittelständler in der Regel auf große bestehende Partnernetzwerke stützen können, ergeben sich auch für sie durch die Kooperation mit Start-ups häufig neue Online-Märkte und Plattformkontakte. Ebenfalls relevant sind finanzielle Beteiligungen der etablierten Unternehmen an den Start-Ups, um diese bei ihrer weiteren Expansion zu unterstützen und sich bei zukünftigen Entwicklungen einzubringen.
Bei der Befragung lassen sich drei Hauptmotive für die Kooperation mit Start-Ups erkennen. Neben der Erschließung neuee Technologien, kooperieren KMUs vor allen Dingen, um Digitalisierung aktiv zu gestalten und ihre Produkte und Dienstleistungen weiterzuentwickeln. Darauf folgt der Zugang zu neuen Märkten und die Rekrutierung von talentierten Fachkräften.
Insgesamt können Mittelständer so dem harten Wettbewerb im industriellen Sektor standhalten und die Innovationslücke zu Großunternehmen schließen, die in den vergangenen Jahren immer größer geworden ist. Während bei Großunternehmen die Innovationsquote stieg, sank sie bei den Mittelständlern.
„Die Einbindung von Start-ups in Innovationsvorhaben mittelständischer Unternehmen können hier zu einer Erweiterung der Innovationspotenziale führen, die Innovationskultur flexibilisieren und die im Unternehmen selbst aufzuwendenden Kosten reduzieren“ (S.18)
Hindernisse und Herausforderungen – “Kulturelle Passgenauigkeit”
Doch trotz ihrer großen Potenziale, laufen Kooperationen zwischen dem Mittelstand und Start-Ups nur langsam an. Die Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaft identifiziert 4 Faktoren, die sich hinderlich auf eine Zusammenarbeit zwischen mittelständischen Unternehmen und Start-Ups auswirken können.
Kulturelle Unterschiede: Beide Seiten müssen sich bei Kooperationen darüber im Klaren sein, dass sich ihr Partner in einem anderen geschäftlichen, marktlichen und persönlichen Entwicklungsstadium befindet. So haben Mittelständler in ihren Arbeitsweisen eine hohe Kontinuität und unternehmerische Vorsicht, die sich über viele Jahre bewährt hat. Hingegen setzen Start-ups auf eine hohe Geschwindigkeit von Entscheidungen, womit zumeist flache Hierarchien zusammenhängen, wodurch die Entscheidungsgewalt im Unternehmen nicht zentralisiert auf einer höheren Ebene liegt, sondern bei den Mitgliedern des Teams selbst. Auch bestehen Unterschiede in der Finanzierung sowie der externen Vernetzung. Während Mittelständer sich zu großen Teilen durch Thesaurierung finanzieren und ihre Netzwerke regional eingebettet sind, setzen Start-Ups auf externe Finanzmittel und sind häufig in einem urbanen Umfeld verwurzelt. Das zeigt sich auch in den Erhebungsergebnissen, bei denen unterschiedliche Unternehmenskulturen als größter Problempunkt bei Zusammenarbeiten zwischen Start-Ups und Familienunternehmen angegeben werden.
Unterschiede im Innovationsverhalten: Das Innovationsverhalten von Mittelständlern lässt sich in vielen Fällen als inkrementell, also als vorsichtig und auf kontinuierliche Verbesserung setzend, beschreiben. Diese Strategie steht durch digitale Innovationen unter Druck, die Disruptionen erzeugen und so Markterfordernisse in kurzer Zeit grundlegend verändern können. Letzteres spiegelt sich in der Innovationsstrategie vieler Start-Ups wider, die vermehrt auf Sprunginnovationen in neue Technologien und Geschäftsfelder setzen.
Unterschiede in der räumlichen Verteilung: Auch wenn die Knüpfung von Kooperationen und gemeinsamen Projekten vermehrt auch online über Plattformen stattfindet, geben viele Befragte an, dass dies den persönlichen Kontakt mit Partnern nicht ersetzen kann.
Da Start-Ups häufig in urbanen Ballungsgebietet vorzufinden sind und Mittelständler eine größere räumliche Streuung aufweisen, ist die Kontaktaufnahme erschwert und es bilden sich seltener langfristige Kooperationscluster.
Rechtliche Hemmnisse: Oft wird bei Kooperationen eine hohe Flexibilität angestrebt, was sich in einem Verzicht auf detaillierte Verträge ausdrückt. Das kann später zu Rechtsstreitigkeiten führen, weshalb Fragen von Wettbewerbsverboten, dem Zugriff auf Ideen und Patente sowie der Verteilung entstehender Gewinne früh vertraglich fixiert werden sollten. Verschiedene Anwaltsfirmen bieten kostenlos Informationen und Vorlagen für Kooperationsverträgeauf auf ihrer Website an.
Kooperations-Empfehlungen: Digitale Plattformen und gegenseitige Offenheit
Das Bewusstsein um die Verschiedenheit des Partners muss die zentrale Erkenntnis der IW-Analyse sein, denn es ist diese Verschiedenheit, die einer jeden Kooperation im Wege steht, ihr aber zugleich erst ihr innovatives Potenzial verleiht. Ist eine prinzipielle Offenheit gegenüber dem Partner gegeben, kann dies den „Zugang zu einem anderen Biotop“ ermöglichen und das eigene geschäftliche Denken bereichern.
Außerdem identifiziert das Institut der deutschen Wirtschaft digitale Plattformen als einen, wenn nicht sogar den bedeutenden Faktor bei zukünftigen Kooperation. So stellten auch die befragten Experten fest, dass bereits die Identifikation und Auswahl von fachlich geeigneten Jungunternehmen in der dynamischen Start-Up Landschaft eine große Herausforderung darstellt. Durch Plattform können Unternehmen sich mit nie dagewesener Auswahl und fachlicher Präzision untereinander vernetzen und so Transaktions- und Informationskosten senken. Viele Verbände und Institutionen haben das bereits erkannt und regionale Kooperationsplattformen geschaffen:
Alphazirkel: Die Plattform Alphazirkel wurde 2005 mit Ziel gegründet „Den Erfahrungsaustausch unter Familienunternehmern voranzubringen, Ideen anzustoßen, von den Erfahrungen anderer in der Nachfolgeregelung und der Zukunftssicherung des Familienunternehmens zu profitieren, Kontakte im Unternehmer-Netzwerk zu knüpfen und zu pflegen“.
Munich-Startup: Auf der Start-Up Plattform Munich wird die Kontaktaufnahme zwischen Start-Ups untereinander aber auch mit Investoren, Mentoren und allen potenziellen Partnern ermöglicht. Ursprünglich für die Stadt München entwickelt, schließt die Plattform inzwischen auch umliegende Regionen ein.
Munich-Network: Die Plattform von Munich Network hat einen internationalen Fokus und möchte primär Akteure der Tech-Industrie zusammenbringen, um ihre Innovationsfähigkeit zu erhöhen. Auch hier liegt ein Fokus auf der Vernetzung von etablierten Unternehmen und innovativen Start-Ups.
Start-Connect: Start-Connect ist eine Plattform auf der Unternehmen der Region Münsterland die Möglichkeit haben, Gründer und Start-Ups kennenzulernen. Dabei geht es primär um Kooperationen in Bezug auf die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen.
AAA Strategy: Das Portal von AAA-Strategy versteht sich als Vermittler zwischen unterschiedlichen Mentalitäten und Unternehmensorganisationen und begleitet Unternehmen bei der Ausrichtung auf neue Technologien und Märkte.
Doch warum sollten Kooperationen nur auf Mittelständler und Start-Ups beschränkt sein? Die IW-Analyse verweist auch auf die Kooperation von Unternehmen mit Akteuren der Wissenschaft:
„Kooperationsvorteile lassen sich nicht nur im Rahmen von Start-up-Kooperationen erzielen. Speziell durch Kooperationen mit Universitäten und Forschungsinstituten können mittelständische Unternehmen Innovationen oft schneller und kostengünstiger vorantreiben, als es ihnen eigenständig möglich ist.” (S.19)
Hierfür stellt die Plattform von EDECY eine digitale Lösung dar, um ohne aufwändige Recherche geeignete Institute, Hochschulen und Universitäten für Forschungskooperationen zu finden. Eine Zusammenarbeit kann unter anderem in Form von gemeinsamen Forschungsprojekten, der Vernetzung von Unternehmen mit wissenschaftlichem Fachpersonal oder dem Transfer von Wissen und Technologien erfolgen.
Auf verschiedene Formen der Kooperation geht auch die Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft detailliert ein. In ausführlichen Regressionsanalysen wird außerdem herausgearbeitet, wie unter anderen die Faktoren „Digitale Reife“, „Umsatz“, „Mitarbeiterzahl“ die Kooperationsbereitschaft von Unternehmen beeinflussen. Eine weiterführende Lektüre der IW-Analyse lohnt in jedem Fall!