Die Forschungsplattform von EDECY im Gespräch mit Jan Ruhnke, Director und CAIO des Artificial Intelligence Center Hamburg (ARIC). Unter anderem geht es um die praktische Anwendung von KI-Technologien in mittelständischen Betrieben und die Schlüsselrolle, die Forschungskooperationen dabei einnehmen.

„The German Mittelstand“

„Artificial Intelligence made in Germany“ – diesen Begriff zu einem weltweit anerkannten Gütesiegel zu machen, ist das erklärte Ziel der Nationalen Strategie für Künstliche Intelligenz der Bundesregierung. Zu einem großen Teil wird dieses ambitionierte Ziel von einer Gruppe von Unternehmen abhängen, die international bereits jenes Ansehen erlangt haben, das die Künstliche Intelligenz noch anstrebt. Gemeint ist der „German Mittelstand“, ein Erfolgsmodell das weltweit für Verlässlichkeit, Qualität und Tradition steht. Auch in Zahlen ausgedrückt, kann sich die Bilanz des Mittelstandes sehen lassen: fast 20 Millionen Beschäftigte, ein Anteil von 55% an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung Deutschlands und eine Quote von über 50% an global tätigen Unternehmen. Will die Künstliche Intelligenz in Deutschland flächendeckend Fuß fassen, führt somit kein Weg am Mittelstand vorbei.

Diese Gleichung lässt sich jedoch auch umkehren: Wollen deutsche Unternehmen ihre Spitzenposition im internationalen Wettbewerb beibehalten, müssen sie sich die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz zunutze machen. In nahezu allen Unternehmensbereichen von der Produktion bis hin zum Marketing und Vertrieb sind die Potenziale enorm. Gehört die Zukunft somit einem Dreamteam aus Mittelstand und KI? Nicht zwangsläufig, denn die Einführung von KI-Technologien stellt für mittelständische Unternehmen häufig einen Kraftakt dar und ist mit einem hohen Ressourcenaufwand verbunden. Es mangelt an Know-How, Fachpersonal und notwendigem Datenmaterial.

Die Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft

Es ist dieser Zusammenhang, in dem die Kooperation zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik an Bedeutung gewinnt. So stehen an Forschungseinrichtungen und Kompetenzzentren in vielen Fällen bereits hochentwickelte KI-Technologien bereit, nur bei der anwendungsspezifischen Überführung in die Wirtschaft haperte es bislang. Um das zu ändern, hat sich das im September 2019 gegründete Artificial Intelligence Center Hamburg der Zusammenführung von Unternehmen und Forschungseinrichtungen verschrieben. Jan Ruhnke, Director & CAIO des ARIC, fasst die Mission zusammen:

„Das ARIC fungiert als Bindeglied zwischen innovativer Forschung und der praktischen Anwendung ihrer Ergebnisse. Hierbei ist es unser Ziel, die high-end Programmierer der Wissenschaft mit den Entscheidern aus Wirtschaft und Politik an einen Tisch zu bringen und einen Austausch anzustoßen. Bislang wurden Informatiker und KI-ler häufig so gesehen, dass Sie in ihrem Elfenbeinturm sitzen und gar kein Interesse an einer praktischen Verwendung Ihrer Arbeit haben. Das ist nicht der Fall. Es bestehen aber vor allem Hürden in der Kommunikation. Beide Seiten haben ein eigenes ‚wording‘ und müssen bei dem ersten Zusammentreffen erst einmal eine gemeinsame Sprache finden.“

Von dieser Aufgabenstellung und Zielsetzung ausgehend lässt sich die Arbeit des ARIC in drei Säulen gliedern:

(1) Networking

In seiner Rolle als Netzwerker nimmt das ARIC die Funktion eines zentralen, branchenübergreifenden Anlaufpunktes wahr und bringt die KI-Experten Deutschlands mit den Entscheidern der Wirtschaft in Kontakt. Ziel ist es, verteiltes Know-How zu bündeln und komplexe Herausforderungen interdisziplinär anzugehen. Zu diesem Zweck hält das ARIC regelmäßig kostenlose Veranstaltungen ab, die Akteure unterschiedlicher Bereiche zusammenführen.

(2) Fortbildung & Beratung

Darüber hinaus bietet das ARIC Workshops an, in denen sich Mitarbeiter und Manager gleichermaßen zu dem Thema Künstliche Intelligenz fortbilden können. Das Niveau der Schulungen reicht von den bereits jetzt traditionsreichen „Brown Bags“ bis hin zu anspruchsvollen Programmierkursen:

„In unseren Brown Bags geht es erst einmal nur darum, den Teilnehmern im entspannten Rahmen einen Eindruck von den zahlreichen Themen und Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz zu vermitteln. Dazu gehörten bislang unter anderem Vorträge zur Prozessautomatisierung, der Analyse von Nutzerverhalten oder zu Deep Neural Networks. Für Fortgeschrittene bieten wir dann auch richtige Programmierkurse und Deep Dives an, in denen Teilnehmer lernen, wie sie selbst solche Systeme entwickeln. Ob Unternehmen Ihren Mitarbeitern also einfach mal ein paar zentrale Begriffe der KI näherbringen wollen oder eine langfristige Schulung und eigene Entwicklung anstreben – bei unseren Workshops sollte für alle etwas dabei sein.“

Die Brown Bags finden jeden Dienstag und Donnerstag um 12 Uhr statt (aktuell online). Die Anmeldung erfolgt unkompliziert über eine Meetup-Gruppe. Ein anderes aktuelles Workshop-Beispiel ist der KI und Data Science Check, in dem Prof. Dr. Nick Gehrke zeigt, wie Unternehmen sich dem Thema Künstliche Intelligenz annähern können. Im Vordergrund stehen dafür Use Cases und Anwendungsdomänen, die sich aufgrund einer hinreichenden Datenverfügbarkeit für Methoden der Künstlichen Intelligenz eignen. Die Anmeldung ist kostenlos und erfolgt unkompliziert unter der E-Mail-Adresse info@aric-hamburg.de

(3) Projektbegleitung

Schließlich koordiniert und begleitet das ARIC kooperative Forschungs- und Implementierungsprojekte zwischen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Ein mögliches Szenario sieht so aus, dass ein Unternehmen auf das ARIC zukommt und nach Kooperationspartnern für die Durchführung eines gemeinsamen Forschungsprojekts sucht.

Das ARIC ist hierbei als öffentlich finanzierte Institution völlig unabhängig und kann Unternehmen losgelöst von marktwirtschaftlichen Motivationen bei der Wahl der besten technischen Lösung für ihre individuelle Problemstellung unterstützen.“

Dabei arbeitet das ARIC eng mit der Forschungsplattform EDECY zusammen, um durch ein effizientes Matching-Verfahren den idealen Partner für das spezifische Projektvorhaben des jeweiligen Unternehmens zu finden. Neben dieser Begleitung von Initiativ-Projekten leitet das ARIC aktuell vier Forschungsgruppen, die sich interdisziplinär mit vielversprechenden Anwendungsfeldern der Künstlichen Intelligenz befassen. Neben den Forschungsgruppen AI & HealthCare, AI & Smart City und AI & Recht beschäftigt sich die Gruppen KI & Industrie und Logistik mit der Entwicklung eines hybriden KI-Ansatzes, um Unternehmen praktisch bei der Optimierung Ihrer Logistik- und Produktionsprozesse zu unterstützen.

Noch nichts für Sie dabei? Dann kontaktieren Sie das ARIC für ein Initiativ-Projekt oder durchsuchen Sie die weiteren Kooperationsangebote der Forschungsplattform von EDECY.

Im zweiten Teil des Artikels informieren wir Sie über spezifische KI-Anwendungsszenarien im Bereich der Industrie & Logistik. Unter anderem geht es um Fördermöglichkeiten und kostenlose Beratungsangebote.