Welche Bedeutung hat Wissen für unsere Gesellschaft? Mit welchen Methoden erlangen wir Wissen? Und was ist überhaupt konkret unter dem Begriff des Wissens zu verstehen? – Diese und viele weitere Fragen stellt die Deutsche Forschungsgemeinschaft zur Feier ihres 100-jährigen Jubiläums. Auch EDECY hat sich Gedanken gemacht.

Wissen gibt es heute wohl mehr als jemals zuvor. Noch vor 50 Jahren fand man es hauptsächlich in verstaubten Bibliotheken und den ergrauten Köpfen alter Bücherwürmer. Wissen war im Vergleich zu heute rar, schwer zugänglich und oft privilegierten Schichten vorbehalten. Inzwischen haben mehr als 4 Milliarden Menschen Zugriff auf Wissen mit einem Datenvolumen von schätzungsweise 16.000 Exabyte, das sind 16 Milliarden Terabyte. Alle was sie dazu brauchen, ist der Zugang zum Internet. Zugegeben: Ein Großteil dieser Daten lässt sich wohl kaum als „Wissen“ im herkömmlichen Sinne bezeichnen, es handelt sich um bedeutungslosen Datenmüll, der nie den Kopf eines Menschen erreichen wird. Ist aber auch nur ein millionstel dieser Daten „bedeutsam“, „sinnvoll“ oder „bildend“ – hier stellt sich die Frage wie Wissen überhaupt zu definieren ist – so sprengt das heutige Angebot an Wissen bereits alles je Dagewesene.

Doch weiß der Mensch wirklich mehr? Vieles deutet darauf hin, dass unsere Vorfahren vor 70.000 ein deutlich besseres Verständnis der Welt hatten. Man mag lachen, denn schließlich sprechen wir von primitiven Jägern und Sammlern, die sich wahrscheinlich noch vor Blitz und Donner fürchteten, an einer Konservendose verzweifelt wären und Lichtjahre von der Entdeckung der Relativitätstheorie entfernt waren. Doch was würde wohl passieren, setzte man einen modernen Menschen ohne Schweizer Taschenmesser und Feuerzeug in der Wildnis aus. Das Ergebnis wäre wahrscheinlich weniger glorreich als man es bei dem bisherigen Fortschritt unserer Spezies glauben möchte. Denn während wir auf Arbeitsteilung setzten und immer abhängiger von dem Wissen und der Arbeit anderer wurden, hatten unsere Vorfahren noch ein breites Verständnis von sich selbst zu ihrer Umgebung. Heute leben wir im Zeitalter der Spezialisten. Jeder weiß ganze genau über den Teilbereich eines Teilbereichs eines kleinen Teils unserer Welt Bescheid. Und das ist kein Wundern, es geht nämlich gar nicht mehr anders. Bereit Stephen Hawking schrieb in seinem 1988 erschienen Werk Eine kurze Geschichte der Zeit:

„Nur wenige Menschen vermögen mit dem raschen Wandel unserer Erkenntnisse Schritt zu halten, und das nur, wenn sie dafür ihre gesamte Zeit opfern und sich auf ein kleines Fachgebiet spezialisieren.“

Was also ist zu tun? Ein wichtiger Schritt wäre es, den Kopf wenigstens ein bisschen aus dem Morast des eigenen Spezialistentums zu heben und der persönlichen Datenblase zu trotzen. Ein Schlüssel dafür ist der Austausch und die Kommunikation mit anderen Menschen – die höchstwahrscheinlich ebenfalls Fachspezialisten sind. Reden nun aber genügend Spezialisten miteinander, so hören sie auf nur Spezialisten zu sein und werden zu einfallsreichen Forschern, die in Zusammenhängen denken und sich flexibel auf neue Problemlagen einstellen können. Dafür muss nicht jeder ein Universalgelehrter werden und in einer Reihe mit Alexander von Humboldt und Johann Wolfgang von Goethe stehen. Stattdessen scheinen Kooperationsnetzwerke und interdisziplinärer Austausch eine sehr vielversprechende Option zu sein, da sie helfen, Probleme aus einer neuen Perspektive zu betrachten und alte Denkschemata aufzubrechen. Die letzten 50 Jahre waren der Sammlung und Anhäufung von Wissen gewidmet, vielleicht sollten die kommenden 50 Jahre im Zeichen des Transfers von Wissen stehen?